Jahresbericht 2022

Sechzehnter Jahresbericht

Sechzehnter Jahresbericht

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Saskia Schenker, Direktorin Arbeitgeberverband Region Basel

Unternehmerische Grundwerte umso wichtiger

Im Jahresbericht 2021 habe ich an dieser Stelle folgenden Satz geschrieben: «Es ist nicht selbstverständlich, dass die Schweiz Krisen (Covid, Krieg gegen die Ukraine) aus wirtschaftlicher Sicht bis anhin besser meistern kann als andere Länder und dass wir trotz allem eine derart hohe Beschäftigung und tiefe Arbeitslosenzahlen haben. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass die Perspektiven für Unternehmen und damit für die Arbeitsplätze auch in der Schweiz – unabhängig von den Krisen – mit vielen Unsicherheiten und Mehrbelastungen verbunden sind. Dazu gehören die internationalen Entwicklungen im Steuerbereich, die einen wichtigen Schweizer Standortfaktor – die tiefen Unternehmenssteuern – schwächen. Dazu gehören auch die stetige Verteuerung der Arbeitskosten und der Kampf der Gewerkschaften zur weiteren Einschränkung des liberalen Arbeitsmarkts.

Mit der 2022 zunehmenden Inflation und der einkehrenden Zinswende kamen Anzeichen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Und mit der dann im März 2023 notwendigen Rettungsaktion für die Credit Suisse und den verunsicherten Finanzmärkten haben sich die Perspektiven für den Wirtschaftsstandort Schweiz und seine positive Ausstrahlung verschlechtert. Die Krisenstimmung der letzten Jahre wiederholt sich.

Und nichts desto trotz: Die Schweizer Wirtschaftsstruktur mit ihrer vergleichsweise starken branchenmässigen und geografischen Diversifikation und der hohen Bedeutung von Chemie, Pharma, Lifesciences und Exportindustrie ist zentral dafür, dass unser Land Krisen besser überwinden kann als andere. Davon zeugen auch aktuell die im internationalen Vergleich viel tieferen Inflationsraten und die äusserst tiefe Arbeitslosigkeit. Wir müssen uns jedoch gerade in schwierigeren Zeiten bewusst sein, welches die Erfolgsfaktoren der Schweizer Wirtschaft und damit des Schweizer Wohlstands sind.

Es sind die eigentlich in der Schweiz tief verankerte liberale und unternehmerische Grundhaltung und die Skepsis vor zu viel Staat, wie die bis anhin starken Standortfaktoren tiefe Besteuerung und hohe Arbeitsmarktflexibilität zeigen. Die liberalen Grundwerte haben jedoch in der letzten Zeit stark gelitten. So zeigte Avenir Suisse in einer Studie 2022*: «Die Verwaltung wächst der Wirtschaft davon». Die Anzahl der im öffentlichen Sektor Beschäftigten wachse wesentlich schneller als diejenigen des privaten Sektors. «Die öffentliche Hand zieht denn nicht nur in zunehmend stärkerem Masse Arbeitnehmende aus dem Stellenmarkt an, sondern kann durch Steuergelder finanzierte und rechtlich abgesicherte Konditionen vermehrt Talente aus dem privaten Sektor abziehen. Der Staat ist damit mitentscheidend ein Treiber des Fachkräftemangels in der Wirtschaft», so der Autor von Avenir Suisse. Dies belegt auch eine Studie des IWP Luzern von 2023**: «Die Beschäftigung in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) wuchs – gestützt auf die offiziellen Daten – im Sektor Staat von 2011 bis 2019 um 12.0 Prozent, bei den privaten Unternehmen um 9.7 Prozent.» Die Autoren zeigen auch die Lohnunterschiede: Die Löhne in der Bundesverwaltung lagen gegenüber den durchschnittlichen Löhnen in der Privatwirtschaft 39.3 Prozent, in den Kantonsverwaltungen 22.2 Prozent und in den Gemeindeverwaltungen 11.6 Prozent höher (Schätzung für den Zeitraum 2007 bis 2020). Die systematische Lohnanalyse zeige, dass auf allen Verwaltungsebenen Lohnprämien gegenüber der Privatwirtschaft bestehen. Das heisst, die Löhne sind höher, wenn gleichwertige Stellen und Arbeitskräfte aus der Verwaltung und der Privatwirtschaft verglichen werden.

Der Arbeitskräftemangel akzentuiert sich in der Schweiz gerade derart, dass er in verschiedenen Unternehmen und Branchen zum Wachstumshemmer wird, und gleichzeitig konkurrenziert die Verwaltung die Privatwirtschaft immer stärker.

Politisch kämpfen wir als Arbeitgeberverband engagiert für den Erhalt des liberalen Arbeitsmarkts und guter Rahmenbedingungen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber als bedeutende Standortfaktoren. Es ist aber nicht «nur» die Politik, die die Standortfaktoren und damit die Grundlagen des Schweizer Wohlstands angreift. Es ist heute auch die Verwaltungsmaschinerie per se. Als Verband setzen wir uns dafür ein, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Zeit in Wertschöpfung investieren können statt in Verwaltungsaufgaben, wobei aus einer zunehmenden Verwaltung auch immer mehr Aufgaben und -vorschriften resultieren, für die wiederum Expertise nötig ist.

Dem Arbeitskräftemangel – den nun auch die Verwaltung selbst weiter anheizt – begegnen wir mit einer umfassenden Strategie. Im Bereich der «Dienstleistungen und Weiterbildung» informieren und sensibilisieren wir unsere Mitglieder über Möglichkeiten, wie dem Arbeitskräftemangel begegnet werden kann. Dazu gehören unser umfassendes Seminarangebot, unsere Publikationen und die Dienstleistung «Demografie-Standortbestimmung für Ihr Unternehmen», die der Arbeitgeberverband Region Basel in Zusammenarbeit mit Hendrik Budliger vom Kompetenzzentrum «Demografik» und Daniela Visintin vom Netzwerk «Potenzial 50plus» des Kantons Basel-Landschaft anbietet. In Projekten mit Partnern setzen wir uns dafür ein, dass das Potenzial von Arbeitskräften bei bestimmten Zielgruppen noch besser ausgeschöpft werden kann. Dies beispielsweise mit «Familycare» zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, mit «Worktrain» zur Reintegration von leistungsbeeinträchtigten Personen in den ersten Arbeitsmarkt und mit «focus50+» für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Und auch im Bereich der politischen Rahmenbedingungen gibt es viel zu tun, um das Potenzial an Arbeitskräften besser ausschöpfen zu können. Sei es bei den sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen, damit sich länger Arbeiten im Alter lohnt. Sei es zur steuerlichen Verbesserung für meist teilzeitarbeitende Frauen. damit sich höherprozentiges Arbeiten lohnt. Sei es bei der Stärkung der Berufsbildung, damit unsere Jungen sich später gezielt in den Arbeitsmarkt einbringen können. Und vieles mehr.

Dass als neueres Phänomen die Verwaltung nicht «nur» als Regulierungstreiberin, sondern auch als starke Wettbewerberin um gute Fachkräfte gegenüber der Privatwirtschaft auftritt, ist besorgniserregend für unseren bislang erfolgreichen Wirtschaftsstandort. Denn der Staat ist nicht wertschöpfend tätig – im Gegenteil. Umso wichtiger ist es, uns die liberalen, unternehmerischen Grundwerte der Schweiz als bisherige Erfolgsrezepte in Erinnerung zu rufen. Für eine Verbesserung der Perspektiven gerade auch in herausfordernden Zeiten.

Saskia Schenker,
Direktorin Arbeitgeberverband Region Basel

* Avenir Suisse, Mario Bonato «Allumfassende öffentliche Hand », 22.08.2022, https://www.avenir-suisse.ch/allumfassende-oeffentliche-hand/ 

** IWP Luzern, Dr. Marco Portmann, Professor Dr. Christoph A. Schaltegger und BSc. Frederik Blümel «Beschäftigung im öffentlichen Sektor der Schweiz. Verwaltungslöhne unter der Lupe», 02.2023 https://www.iwp.swiss/paper/staatliche-und-staatsnahe-beschaeftigung-in-der-schweiz/#7–l%C3%B6hne-im-%C3%B6ffentlichen-sektor